Gutachten: Enteignung von Wohnungskonzernen ist in zweifacher Hinsicht verfassungswidrig

Im Zentrum der gesellschaftspolitischen Enteignungsdebatte steht der Sozialisierungsartikel 15 GG. Er wurde in den 70 Jahren seines Bestehens noch nie angewendet und wird sehr unterschiedlich interpretiert. Zugleich fehlt jegliche Rechtsprechung zu den Auslegungen. Die Autoren des im März erschienenen Gutachtens „Grundrechtliche Rahmenbedingungen für eine Vergesellschaftlichung großer Wohnungsunternehmen“ –  Prof. Dr. Jürgen Kühling und Moritz Litterst von der Universität Regensburg – argumentieren nun mit der Entstehung des Artikels 15. Danach sei eine Sozialisierung nur dann zu legitimieren, wenn es darum gehe „eine auch gesellschaftsrelevant problematische Macht marktdominanter Unternehmen zu bekämpfen“.

Nach aktuellen Feststellungen des Bundeskartellamtes gebe es jedoch auf dem Berliner Wohnungsmarkt keine marktdominanten Unternehmen. Als zweiten kritischen Punkt benennen die Gutachter die Höhe der Entschädigung. Geplant ist eine Entschädigung deutlich unter Verkehrswert. Die Juristen erörtern die höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Angemessenheit von Entschädigungen und der Orientierung am Verkehrswert und kommen zu dem Ergebnis „Die in der höchstgerichtlichen Entscheidungspraxis herangezogenen Aspekte, die einen Abzug vom Verkehrswert zu rechtfertigen vermögen, liefern den Befürwortern einer deutlich reduzierten Entschädigung beim Berliner Vorhaben nur wenige Anhaltspunkte.“ Unterm Strich ist das Vorhaben laut Gutachten ein „Tanz am verfassungsrechtlichen Abgrund“. Das Fazit: „Eine Vergesellschaftung von Immobilienbeständen steht auf verfassungsrechtlich unsicherem Boden.“

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